100 Jahre MPI

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  • Psychiatrie und Neurobiologie
    100 Jahre Forschung und Behandlung 100 Jahre Max-Planck-Institute für Psychiatrie und für Neurobiologie spiegeln die Entwicklung der Psychiatrie im 20. Jahrhundert in Deutschland wieder: Von der bloßen Beobachtung verhaltensauffälliger Menschen hin zu molekulargenetischen Untersuchungen des Gehirns. Emil Kraepelin, Gründer des gemeinsamen Vorgängerinstituts, protokollierte die Symptome seiner Patienten minutiös auf Zählkarten und entwickelte so eine Einteilung psychiatrischer Erkrankungen, die bis heute gültig ist. Die naturwissenschaftlich begründete Psychiatrie war geboren. Im Laufe der Jahrzehnte kamen immer mehr Diagnosen dazu. Heute enthält der weltweit gültige Diagnosekatalog DSM V 374 psychiatrische Störungen. Diese Vielzahl führte jedoch nicht parallel zu mehr und zu besseren Therapien. Deshalb verfolgen Forscher heute einen anderen Ansatz, denn häufig stimmen die Diagnosen nicht mit den biologischen Mechanismen im Gehirn überein. So kommen zum Beispiel bei depressiven Patienten ganz unterschiedliche pathophysiologische Prozesse zum Tragen. Diese Patienten würden von unterschiedlichen Therapien profitieren, sie werden derzeit aber mit der gleichen Diagnose auch gleich behandelt. Umgekehrt vermuten Neurowissenschaftler, dass ein und derselbe Mechanismus im Gehirn verschiedene Symptome hervorrufen kann – und damit unterschiedliche Diagnosen. Patienten werden unterschiedlich therapiert obwohl ihnen vielleicht ein und dieselbe Behandlung helfen würde.  – Entscheidend für große Fortschritte in der Psychiatrie wird die personalisierte, biologiebasierte Medizin sein.
  • Bildgebende Verfahren
    Der Blick ins Gehirn zeigt, welche Regionen aktiv werden Anhand von histologischen Untersuchungen, bei denen Zellverbände innerhalb von Hirnpräparaten mit einer von Franz Nissl entwickelten Methode sichtbar gemacht und am Mikroskop ausgewertet wurden, erstellte Korbinian Brodmann einen Hirnatlas, der heute noch weitgehend gültig ist. Um 1919 ermöglichte eine auf Röntgenstrahlen basierende Technik (Pneumenzephalographie) erstmals Einblicke in das Gehirn lebender Patienten. Dieses sehr invasive Verfahren wurde in den 1970er Jahren durch die Computertomographie (CT) abgelöst, die erstmals nicht-invasiv Schicht-Bilder lieferte. Der klinische Durchbruch der Neuro-Bildgebung gelang etwa im Jahr 1980 durch die Entwicklung der Magnetresonanztomographie (MRT), mit der kontrastreiche, hoch auflösende Bilder des Gehirns ohne jegliche Nebenwirkungen erstellt werden. Anhand der MRT lassen sich auch metabolische, mikrostrukturelle und funktionelle Informationen darstellen. Somit können wir heute am lebenden Gehirn Details der Stoffwechselprozesse, der Vernetzung der Hirnregionen sowie deren Aktivität erfassen. Aus der Vielzahl dieser Informationen kristallisieren sich nach und nach krankheitsspezifische bildbasierte Merkmale psychiatrischer Erkrankungen heraus, die uns helfen, Diagnostik und Therapie zu optimieren.
  • Anatomie
    Details zu Form, Struktur und Anordnung werden sichtbar Mit neuen Methoden wie der Nissl- und Golgi-Färbung konnten um 1900 erstmals einzelne Nervenzellen erkannt und ihre Form und Lage in Hirnpräparaten untersucht werden. Die Entdeckung fluoreszierender Farbstoffe und die Weiterentwicklung der Mikroskopie ermöglichten es, einzelne Nervenzellen auch im lebenden Gewebe zu markieren und ihre Aktivität und Anatomie zu studieren. So war es zum Beispiel möglich, in der Hirnrinde die Struktur und Funktion von Mikrogliazellen zu analysieren, die synaptische Plastizität während des Lernens zu beobachten, und die Berechnungen des Bewegungssehsystems der Fliege auf zellulärer Ebene nachzuvollziehen. Noch detailliertere Einblicke erlaubt die Elektronenmikroskopie, die uns heute hochauflösend die Struktur von Nervenzellen und Verbindungen in drei Dimensionen zeigt. Damit rückt die Erstellung eines kompletten Schaltplans des Gehirns in greifbare Nähe.
  • Neurophysiologie
    Feinste Elektroden und neue Methoden zeigen biochemische Vorgänge der Nervenzellen Nervenzellen kommunizieren mit Hilfe von elektrischen Signalen, hervorgerufen durch selektive Ionenströme durch die Zellmembran. Um diese Vorgänge zu verstehen, entstand Anfang des 20. Jahrhunderts die Elektrophysiologie. Spannungsänderungen wurden zunächst extrazellulär mit Hilfe von Wolfram-Elektroden gemessen. Mit Entwicklung der scharfen (Glas)Elektrode wurde auch die Ableitung aus dem Inneren einzelner Nervenzellen der Hirnrinde möglich. Neben vielen Erkenntnissen zur Funktionsweise der Nervenzellen konnten Pioniere der Elektro- physiologie wie Otto Creutzfeld und Hans Dieter Lux zeigen, dass die im Elektroenzephalogramm (EEG) beobachteten Signale auf der Kopfhaut ihren Ursprung in der synaptischen Aktivität vieler Nervenzellen der Hirnrinde haben. Erwin Neher und Bert Sakmann entwickelten später in Göttingen die Patch-Clamp-Methode, mit der sich der Strom durch einzelne Ionenkanäle in der Membran lebender Zellen messen lässt (hierfür erhielten sie den Nobelpreis im Jahr 1991). Heute ist diese Technik eine der wichtigsten neurophysiologischen Arbeitsmethoden und ermöglicht die Messung der Aktivität einzelner Zellen selbst im Fruchtfliegenhirn. Zudem machen Farbstoffe den Ursprung und die Ausbreitung einzelner Aktionspotentiale und auch andere physiologische Vorgänge nicht-invasiv unter dem Mikroskop sichtbar.
  • Moleküle
    Die Rolle der Zellkomponenten Um die biologischen Mechanismen psychiatrischer Krankheiten besser zu verstehen, ist es zwingend notwendig, ihre molekularen Komponenten im Detail zu beschreiben und zu untersuchen. Nach der Vervollständigung des menschlichen Genom-Projektes hat vor allem die Identifizierung von Genen, die mit Krankheiten assoziiert sind, erhebliche Fortschritte gemacht. Allerdings stellen die hierzu beschriebenen 20 000 Gene lediglich einen Anfang dar. Eine Vielzahl anderer molekularer Einheiten wie kleinste RNA Moleküle (micro RNA), Transkriptionsfaktoren, Histonemoleküle und epigenetische Mechanismen (wie zum Beispiel kovalente Änderungen der DNA selbst) kontrollieren wann und wo diese Gene in Zellen und Geweben abgelesen werden. Proteine und Metabolite sind hierbei die funktionellen Moleküle: Sie bestimmen die Zellaktivität und sind an der Signalweitergabe, dem Stoffwechsel und vielen anderen Zellprozessen beteiligt. Um Therapien und Medikamente zu entwickeln, bedarf es der genauen Kenntnis der zellulären und molekularen Prozesse sowohl im gesunden als auch im kranken Zustand. Im Unterschied zu anderen Bereichen der Medizin gibt es zur Zeit keinen Bluttest, der einem Psychiater bei der Diagnose oder der Kontrolle des Behandlungserfolgs zur Verfügung steht. Die Entwicklung einer biologischen Kennzeichnung der Proteine, RNA Moleküle oder Metabolite, die einen bestimmten Krankheitszustand oder eine Medikamenten-Reaktion widerspiegeln, wird in Zukunft das derzeitige Diagnoseverfahren ergänzen und somit die Präzisions-Psychiatrie ermöglichen.
  • Der Einfluss der Gene
    Verständnis von physiologischen Vorgängen und Krankheitsprozessen Das wichtigste Teilgebiet der Genetik ist die Molekulargenetik. Im Fokus stehen der Träger der Erbinformation (meist DNA), die Vervielfältigung der DNA und dabei auftretende Mutationen, die zu neuen Varianten und Erkrankungen führen können, sowie die Dekodierung der Erbinformation in RNA und Proteine. Heute ist es mit Hilfe der Knockout/Knock-In und Genome Editing-Technologien möglich, einzelne Gene im Erbgut von Organismen auszuschalten oder zu verändern. So können beispielsweise gezielt einzelne wenige Nervenzellen im intakten Gehirn von Labortieren sichtbar gemacht oder manipuliert werden. So kann das von diesen Zellen gesteuerte Verhalten aufgezeichnet werden. Mit Hilfe der Gentechnik lassen sich Moleküle identifizieren und untersuchen, die eine Rolle bei der Entwicklung des Nervensystems, aber auch bei Fehlentwicklungen, neurodegenerativen Erkrankungen oder Alterungsprozessen spielen. Ziel ist es, die zugrundeliegenden molekularbiologischen Prozesse besser zu verstehen; eine wichtige Basis auch für die Entwicklung neuer therapeutischer Ansätze.
  • Epigenetik
    Wie die Umwelt das Genom verändert Stress und Trauma sind Risikofaktoren für psychiatrische Erkrankungen. Diese Umwelterfahrungen können direkte Spuren in unserem Genom hinterlassen und damit Nervenzellen neu programmieren. Dadurch können Umwelteinflüsse lang andauernde Veränderungen in unserer Reaktion auf Stress bewirken, was wiederum das Risiko für psychiatrische Erkrankungen erhöht. Diese Spuren im Genom sind sogenannte epigenetische Veränderungen. Im Vergleich zu genetischen Veränderungen beeinflussen sie nicht die Abfolge der einzelnen DNA Bestandteile, der Basen, sondern wie gut die Information von der DNA-Sequenz abgelesen werden kann. Epigenetische Veränderungen, die durch Umwelterfahrungen hervorgerufen werden, sind DNA-Methylierung und Veränderungen der Histone (Bild). Sie führen zu mehr oder weniger eng gewickelter DNA und damit zu unterschiedlichen Mengen von Proteinen für bestimmte Gene. Eine weitere Möglichkeit, wie die Umwelt Einfluss nehmen kann, ist die Veränderung der Menge von sogenannten micro RNAs. Diese kleinen Moleküle verhindern, dass Information bei der Protein-Synthese abgelesen wird. Epigenetische Veränderungen spielen bei vielen psychiatrischen Erkrankungen eine Rolle, auch im Zusammenspiel mit genetischer Veranlagung. Ein besseres Verständnis dieser Prozesse könnte helfen, die Einflüsse von negativen Umwelterfahrungen wieder rückgängig zu machen und damit psychiatrische Erkrankungen in ihrer Entstehung zu verhindern oder zu behandeln.
  • Forschungsmethoden
    Wohin geht die Reise? Vorklinische Untersuchungen sind für das Verständnis der genetischen und biochemischen Prozesse bei der Ent- stehung und Entwicklung neurologischer, neurodegenerativer und psychiatrischer Krankheiten unerlässlich. Fortschritte in der Gentechnik sowie die große Gemeinsamkeit von Mensch- und Mausgenom ermöglichen es Wissenschaftlern, Maus-Modelle als vorklinische Modelle für genetisch bedingte kognitive Störungen zu etablieren. Neue Techniken und Verfahrensweisen werden entwickelt, die eine bessere Übertragung der aus Tiermodellen gewonnen Erkenntnisse auf den menschlichen Organismus zulassen. Dafür beobachten Wissenschaftler das Verhalten von Mäusen in einer halbnatürlichen Umgebung und in Tiergruppen. Gleichzeitig erheben sie physiologische Daten. Am Tiermodell lassen sich Ursache und Wirkung verschiedenster Interventionen akkurat messen und die Wirksamkeit potentieller Behandlungen testen. Als vielversprechend für die regenerative Medizin gelten zerebrale Organoide oder „Mini-Gehirne“: sie sollen Medikamententests erleichtern und neue Erkenntnisse über die molekularen und zellulären Eigenschaften von Patienten-Gehirnen liefern. Zerebrale Organoide werden aus Gewebeproben, zum Beispiel aus Blut oder Haut von Patienten, gewonnen. Die Zellen werden so reprogrammiert, dass sie sich von einem naiven Zustand zu einer komplexen 3D-Struktur entwickeln, die Gehirn-spezifische Zelltypen enthält. Die so entstandenen Zellverbände spiegeln in einer sehr vereinfachten Form die Entwicklung des menschlichen, speziell des Gehirns des Patienten, wider. Aufgrund der einfachen Gewinnung und der Ähnlichkeit mit menschlichen Organen öffnen Organoide neue Möglichkeiten für die translationale Forschung: der weitestgehend direkten Übertragung von Forschungserkenntnissen in die klinische Anwendung.
  • Therapien von morgen
    Personalisierte Medizin soll zu besseren Therapieansätzen führen In den vergangenen zehn Jahren haben neue Methoden der Bildgebung und Molekulargenetik erstmals Einblicke in die komplexen Entstehungsmechanismen von psychischen Erkrankungen wie der Schizophrenie, Depression und bipolaren Störung erlaubt. Sie bilden die Grundlage dafür, Krankheiten präziser einzuteilen und neurobiologisch begründete Untergruppen zu definieren. Das führt uns zu neuen Therapieansätzen. Ein Beispiel ist das Gen FKBP5: Es ist essenziell für eine funktionierende Stressreaktion. Manche Varianten des Gens erhöhen die Stressantwort über das normale Maß hinaus und damit das Risiko, an psychiatrischen Erkrankungen zu leiden. Werden diese Genvarianten bei Patienten nachgewiesen, könnten gezielt Medikamente verordnet werden, die die Überaktivität diese Gens blockieren. Indem die individuellen Merkmale jedes einzelnen Patienten berücksichtigt werden, kann eine maßgeschneiderte Therapie entwickelt werden, die schneller und effizienter wirken kann. Mit Hilfe der personalisierten Medizin werden voraussichtlich bald Biomarker identifiziert, die Aussagen über das Erkrankungsrisiko und den Krankheitsverlauf erlauben. Psychotherapie ist bei allen psychiatrischen Erkrankungen eine wichtige Säule der Behandlung. Auch hier werden die molekulargenetischen, biochemischen und zellulären Mechanismen erforscht, um besser vorhersagen zu können, welche Therapie bei welchem Patienten am besten wirkt.
  • Genetik psychiatrischer Erkrankungen
    Obwohl psychiatrische Erkrankungen gehäuft in Familien vorkommen, folgen sie nicht einfach vorhersagbaren Erbgängen Dazu tragen folgende Mechanismen bei: Seltene Genvarianten Genetische Veränderungen treten spontan erst bei den Erkrankten auf und sind nicht bei den Eltern vorhanden. Dies sind vor allen sehr seltene Genveränderungen, in denen ganze Teile von Genen fehlen oder verdoppelt sind. Diese erhöhen zum Beispiel das Risiko an Schizophrenie und Autismus zu erkranken. Genvarianten sind nicht deterministisch Erkrankte tragen zwar häufiger Risikogenvarianten, diese sind jedoch auch bei Gesunden anzutreffen. Viele sogenannte Risikovarianten sind sehr häufig in der Bevölkerung und daher auch bei vielen Gesunden vorhanden. Polygene Vererbung Das Risiko, an einer psychiatrischen Störung zu erkranken, steigt vor allem durch die Summe vieler verschiedener Risikogenvarianten. Nur in Ausnahmefällen führt eine einzige Genvariante zur Erkrankung. Genetik und Umwelt Viele Genvarianten führen nur in einem bestimmten Umweltkontext (zum Beispiel bei Stress) zu einem erhöhten Erkrankungsrisiko. In einer positiven Umwelt können sie auch von Vorteil sein. Psychiatrische Erkrankungen entstehen durch ein komplexes Zusammenspiel von vielen (hunderten bis tausenden) Genvarianten und Umwelteinflüssen in verschiedenen Entwicklungsperioden – von der Befruchtung bis ins hohe Alter.
  • Tiermodelle

    Grundlagenforschung erweitert Wissen. Erst wenn Komponenten und Funktionen eines Organs, Gewebes oder Zellverbands bekannt und verstanden sind, können gezielt Ansätze für effektive und nebenwirkungsarme Therapien entwickelt werden.
    Wenn möglich, werden Ergebnisse ohne Versuchstiere mit Hilfe von Alternativmethoden gewonnen. Nicht-invasive Verfahren haben jedoch meist nur eine geringe Auflösung. So lassen sich die komplexen Interaktionen von Nervenzellen untereinander und mit ihrer Umgebung, sowie ihr Einfluss auf Verhalten meist nur mit Hilfe eigens dafür gezüchteter Versuchstiere klären. Neue Methoden und das verbesserte Wissen ermöglichen es heute wichtige Erkenntnisse zum Beispiel auch durch Studien an Fliegen zu gewinnen. An Hunden, Katzen oder Affen wird an den Instituten nicht geforscht.

    Albert Herz und sein Team erforschten ab den 1960er Jahren die Funktion und Wirkmechanismen von Opium und Opioiden an Mäusen und Ratten. Sie identifizierten bis dahin unbekannte Opioide, fanden wo und wie die Stoffe im Gehirn wirken und zeigten, wie die Vorgänge durch Pharmaka, Stress oder Schmerz beeinflusst werden. Heute sind die Erkenntnisse Teil der modernen Schmerztherapie (Morphium), der Suchttherapie (Methadon) und dienen der Einschätzung des Suchtpotentials von Schmerzmitteln.

    Ende der 1980er Jahre erforschte Werner Risau mit Axel Ullrich und Kollegen am Max-Planck-Institut für Biochemie Wachstumsfaktoren, die die Blutgefäßbildung fördern. Sie fanden, dass kleine Tumoren einen Faktor ausbilden, der das Wachstum von Blutgefäßen anregt und so das Tumorwachstum fördert. In den 1990er Jahren fanden die notwendigen Tierversuche an Mäusen in den USA statt. Aus den Ergebnissen entstand das hoch effektive Krebstherapeutikum (SUTENT®), das 2006 auf den Markt kam.

    Hartmut Wekerle und sein Team untersuchen die grundlegenden Ursachen der Multiplen Sklerose (MS), der häufigsten Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems. In den 1980er Jahren entwickelten sie ein Tiermodell der Ratte, in dem autoagressive T-Zellen eine MS-ähnliche Krankheit hervorrufen. Mit Hilfe dieses Tiermodells konnten kalifornische Forscher weitere Mechanismen der Krankheit aufklären, was 2006 zur Zulassung von TYSABRI® führte, dem derzeit wirksamsten Medikament bei schubförmig verlaufender MS.

    Sind die Ergebnisse für den Menschen relevant?

    Ja! Menschen und Tiere sind durch die Evolution miteinander verbunden und ihre Gene, Zellen und Organe erfüllen oft ähnliche oder gleiche Aufgaben. Viele Krankheiten des Menschen kommen auch bei Tieren vor: fast 90 Prozent der Medikamente für Mensch und Haustier sind gleich. Rund 70 Prozent der unerwünschten Wirkungen beim Menschen können durch geeignete Tiermodelle vorhergesagt werden.

    Werden Tierversuche 
vermieden?

    Bei der Planung und Durchführung von Tierversuchen handeln die Wissenschaftler nach dem 3R-Prinzip: Tierversuche werden, wenn möglich, ganz vermieden (Replacement), ihre Zahl wird auf das Minimum reduziert (Reduction) und das Leid der Tiere auf das unerlässliche Maß beschränkt (Refinement). Zudem arbeiten die Forscher an der Entwicklung von Alternativmethoden.

    Darf der Mensch das?

    Tierversuche können mit Belastungen und Leid für die Tiere verbunden sein. Deshalb müssen Forscher vor jedem Tierversuch sorgfältig abwägen, ob die Belastung der Tiere den zu erwartenden Erkenntnisgewinn rechtfertigen kann. Diese Entscheidung wird nicht leichtfertig, sondern wissenschaftlich begründet getroffen und muss zudem der kritischen Prüfung durch eine behördlich eingesetzte „Ethikkommission“ (§15 TierSchG) und die Genehmigungsbehörde standhalten.

    Was sagt das Gesetz?

    Versuche an Wirbeltieren und Kopffüßlern sind genehmigungspflichtig (§8 TierSchG). Für jeden Tierversuch muss ein Genehmigungsantrag bei der Regierung eingereicht werden, der den wissenschaftlichen Hintergrund, die Notwendigkeit, die Eignung des Experimentators, die genaue Anzahl der eingesetzten Tiere und der Grad ihrer Belastung darlegt. Nur wenn die Erkenntnisse nicht auf anderem Weg erzielt werden können, wird eine Genehmigung erteilt. Auch Tierschützer sind am Genehmigungsverfahren beteiligt (§15 TierSchG). Ein genehmigter Versuch kann jederzeit unangemeldet durch das zuständige Veterinäramt kontrolliert werden.

    Was ist mit Alternativen?

    Alternative Methoden werden wo immer möglich eingesetzt, denn sie sind häufig weniger aufwändig und günstiger als Tierversuche und vermeiden das Leid von Tieren. Doch auch im Computerzeitalter können viele der sehr komplexen und meist winzigen Zusammenhänge und Vorgänge nur im lebenden Organismus untersucht werden, sodass viele Forschungsfragen nicht ohne Tierversuche geklärt werden können.

    Woher stammen die Tiere?

    Nur gesunde, unbelastete und zu den Fragestellungen passende Tiere helfen der Forschung, denn Krankheiten und Infektionen können Ergebnisse verfälschen. Der Großteil der eingesetzten Tiere stammt daher aus eigener Zucht. Die Qualität und der hohe Standard der Unterbringung, Zucht und Versorgung der Tiere stehen unter der ständigen Kontrolle von Veterinärmedizinern, Tierpflegern, Tierschutzbeauftragten und dem Tierschutzausschuss der Institute.

  • Mikroskopie bringt Neues ans Licht

    Mikroskope zeigen kleinste Strukturen des Gehirns

    Um das Gehirn wirklich zu verstehen, müssen einzelne Nervenzellen, ihre Verbindungen und auch ihre Aktivität sichtbar werden. Die Mikroskopie ist daher eine der wichtigsten Methoden der neurobiologischen Forschung.

    Anfang des 20. Jahrhunderts konnte mit der Nisslfärbung die Verteilung der Nervenzellen in Hirnschnitten unter dem Lichtmikroskop untersucht werden. Mit der Entwicklung aktivitätsabhängiger, fluoreszierender Farbstoffe wurde es dann möglich, einzelne Zellen, ihre Bestandteile, ihre
    Aktivität oder auch Zellvorgänge unter dem Fluoreszenzmikroskop zu erforschen. Um auch in tiefere Bereiche des Gehirns vorzudringen, brauchte es die Erfindung der Multi-quantenmikroskopie. Diese erlaubt es nicht nur tief im Gehirn, sondern auch über längere Zeiträume hinweg, der Gehirnaktivität zu folgen. Heute ist die Multiquantenmikroskopie, häufig in Form der 2-Photonen-Fluoreszenz-Mikroskopie, aus kaum einem neurobiologischen Forschungslabor mehr wegzudenken.

    Die Optogenetik machte es möglich, Nervenzellen gezielt mit Hilfe von Licht zu aktivieren oder zu hemmen. So wird zum Beispiel live unter dem Mikroskop sichtbar, welche Zellen Einfluss auf das Schwimm- oder Beutefangverhalten von Zebrafischlarven haben. Die Entwicklung des Serienschnitt-Raster-Elektronenmikroskops ermöglicht es in einem automatisierten Prozess dreidimensionale Bilder von Nervenzellen und ihren Verbindungen zu erstellen – mit dem Ziel, die Schaltkreise des Gehirns zu entschlüsseln.

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    Nissl-Hellfeldmikroskopie


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